Ein konstruktives Gespräch

2025, Packpapier, Klebeband, gefaltet und verklebt
Kollaborative Arbeit mit Ikue Ohta in super+Centercourt

Mit der ortsspezifischen Installation „Ein konstruktives Gespräch“ greifen Seokjin Hong und Ikue Ohta die vielschichtige Geschichte des Super+Centercourt in München auf – eines Raumes, der ursprünglich als öffentlicher Durchgang angelegt war und erst später architektonisch geschlossen wurde. In seiner ursprünglichen Offenheit diente der Ort immer wieder als vorübergehender Schutzraum, etwa für obdachlose Menschen – eine urbane Nische zwischen Sichtbarkeit und Verdrängung.
Die Künstlerinnen übersetzen diese räumlich-soziale Ambivalenz in eine Arbeit, die sich in zwei Phasen entfaltet und auf verschiedenen Ebenen mit dem Verhältnis von Körper, Raum und gesellschaftlicher Fragilität arbeitet.

Phase 1:
In der ersten Phase bleibt der Raum verschlossen. Durch das Schaufenster lässt sich eine vollständig mit Verpackungspapier und Klebeband verhüllte Innenfläche erahnen. Der Raum ist nicht betretbar – nur sichtbar, als wäre er in eine Schutzhaut gehüllt. Die Wahl der Materialien verweist auf Provisorien, Übergangssituationen, temporäre Zufluchten. In der Reduktion entsteht ein starkes Bild für soziale Unsichtbarkeit, für das prekäre Wohnen „im Dazwischen“.

Phase 2:
Nach der Eröffnung wird der Raum zugänglich. Besucher:innen betreten nun eine Landschaft aus hausförmigen Skulpturen – gefertigt aus demselben Packpapier der ersten Phase. Die Spuren der Vergangenheit bleiben lesbar, das Material trägt seine Geschichte weiter. Diese fragilen Konstruktionen erinnern an Kokons, Notbehausungen oder mobile Rückzugsorte. Der Raum, einst Durchgang, wird nun zur reflexiven Architektur, zur temporären Behausung von Bedeutungen.

Durch ihre minimalistische, zugleich hoch sensible Intervention machen Hong und Ohta den Raum selbst zum Akteur. Sie knüpfen an künstlerische Strategien der ortsbezogenen Installation, an Praktiken der Spurensicherung und an gesellschaftspolitische Fragen nach Wohnen, Schutz und Öffentlichkeit. In der formalen Zurückhaltung liegt eine tiefe emotionale und politische Spannung.

„Ein konstruktives Gespräch“ meint dabei nicht nur den Dialog zwischen zwei künstlerischen Positionen, sondern verweist auf das fragile Verhältnis zwischen Raum und Mensch, Zwischenzeit und Dauer, Material und Bedeutung. Ein Gespräch, das nicht auf Lösung abzielt, sondern auf Resonanz.

Kuratorin – Sophie-Charlotte Bombeck